Sommer 2015. In Europa geht er als Sommer der „Flüchtlingskrise“ in die Geschichte ein. Während die Europäische Politik versucht, die Situation in den Griff zu bekommen, entsteht eine Welle der Solidarität und der Hilfsbereitschaft in der Gesellschaft, so auch bei Sennheiser. Mitarbeiter weltweit nehmen Urlaub, um Geflüchtete an Stränden und Häfen in Europa sicher in Empfang zu nehmen und sammeln Kleidung. Einer Initiative der Familie Sennheiser und der Motivation der Belegschaft ist es zu verdanken, dass der mittlerweile stillgelegte Produktionsstandort in Burgdorf, unweit vom Headquarter, zur Notunterkunft wird.
Auch Dr. Petra Hildebrandt sammelt. Sie ist beeindruckt davon, dass der Theatersaal im Headquarter bis auf den letzten Meter voll ist mit Dingen, die gespendet werden. Kleidung, Spielzeug… Da sie jahrelang in Burgdorf gearbeitet hat, will sie wissen: Wie ist das eigentlich? Wie sieht es dort jetzt aus? Sie fragt nach, ob sie einmal vorbeischauen könne, was sie tun kann, um zu helfen. „Man sagte mir, dass besonders die Kinder sich freuen, wenn jemand kommt und ihnen ein paar schöne Stunden bereitet. Und so haben mein Mann und ich Papier und Stifte zusammengepackt. Malen. Das könnten wir mit ihnen machen.“
Petra erinnert sich an die Bilder: „Sie zeigen zerstörte Häuser, Flugzeuge, Feuer. Man kann jedem Bild die persönlichen Geschichten der Kinder ablesen. Aber manche malen auch ihr neues Zuhause: das Sennheiser-Werk in Burgdorf. Sie schenken uns ihre Bilder. Ich habe sie noch, und sie bewegen mich sehr, wenn ich sie mir ansehe.“ Petra wird von Orhan, Mitglied des Arbeiter-Samariter-Bundes, durch das Werk geführt, erklärt die Umbauten, erzählt Geschichten… Das einstige Chemikalien-Lager ist nun Lebensmittel-Lager, das auf engstem Raum die Versorgung sicherstellt, im Keller sind Waschmaschinen untergebracht: Das Werk, das Petra in- und auswendig kennt, erfüllt nun eine ganz andere Funktion.
Später fragt Petra ihre engagierte Kollegin Maximiliane Willenborg, ob sie noch Kontakt habe zu den Geflüchteten, und die erinnert sich an eine der Dolmetscherinnen, die in Jordanien bereits fünf Semester Chemieingenieurwesen studiert hatte und nun versucht, in Deutschland ihr Studium fortzusetzen. Petra nutzt ihr Netzwerk im Deutschen Ingenieurinnenbund, stellt Kontakte her, nimmt sie mit zur Hannover Messe und ist auch mal Zufluchtsort. Es dauert, denn im kulturellen Austausch ist Fingerspitzengefühl erforderlich. Da ist auch die Familie der jungen Frau mit anderen Vorstellungen, Barrieren, Ängsten. Ihr Schulabschluss ist leider in Deutschland noch nicht anerkannt. Viel verändert hat sich trotzdem. Während sie eigenständiger wird und ihre Deutschkenntnisse immer besser werden, ist die einstige Dolmetscherin seit ein paar Monaten stolze Mutter eines Sohnes. Der Weg ist noch lang. Dass Weichen gestellt werden, zeigt, dass Grenzen überwunden werden können und dass Helfen einfach ist. Es braucht manchmal nur ein paar Stifte und Papier.