Alexandra Soumm

Sinfonie der Hoffnung

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Im Mittelpunkt von „Future of Audio“ – steht der Mensch. Einzelne Menschen mit Einfallsreichtum und Kreativität, die es wagen, ihre Vorstellungen in die Tat umzusetzen. Entscheider mit dem Willen, ihre Klientel durch neue Audiowelten zu erreichen. Klangenthusiasten, die uns mit innovativen Projekten Hörerlebnisse verschaffen, die unser Inneres bewegen. Mit „Menschen“ sprechen wir alle Musiker, Künstler, Toningenieure, Produzenten, Entscheidungsträger, Sound-Designer an, die unsere Welt zu einem sinnlichen  Klanguniversum werden lassen. 

Alexandra Soumm, ein Star der jungen Klassik, könnte die Welt erobern. Aber viel lieber noch würde die junge Geigerin sie retten.

  • Autor: Janna Cramer
  • Fotos: Alexandra Soumm
  • Video: Alexandra Soumm
„Mit sechs Jahren wollte ich nach Afrika und dort für arme Kinder spielen“

Wenn Alexandra Soumm darüber nachdenkt, was sie für eine Rolle spielt, fällt ihr immer wieder Franz Liszt ein. Den Komponisten aus Budapest hat sie sich als Vorbild genommen, nicht nur, was sein enormes musikalisches Schaffen betrifft, sondern vor allem in Sachen Menschlichkeit. „Liszt hat schon zu seiner Zeit gesagt: Wir müssen doch für alle Menschen spielen, wir sollten kostenlosen Musikunterricht geben“, erzählt Alexandra.

Bald 130 Jahre nach Liszts Tod will Alexandra Soumm diesen Traum nun in die Tat umsetzen. Sie gilt, ähnlich wie Liszt damals im 19. Jahrhundert, als große Hoffnung in der Welt der klassischen Musik. Knapp 26 Jahre alt, steht sie schon lange als Solistin mit Orchestern wie dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin, dem Detroit Symphony Orchestra oder dem London Philharmonic Orchestra auf der Bühne. Namen, bei denen Klassik-Kenner tief durchatmen. Orchester von Rang. Alexandra spielt oben mit.

Über Franz Liszt hat seine Lebensgefährtin Carolyne zu Sayn-Wittgenstein einmal gesagt, es fehle ihm nicht an Genie, wohl aber an Sitzfleisch. Das kann man von Alexandra Soumm nicht behaupten. Wenn sie sich zu etwas entschließt, bleibt sie bei der Sache, ganz stur. „Ich bin schon oft gegen den Strom geschwommen“, sagt sie.

Mit sechs Jahren war mir klar, dass ich meine Liebe zur Musik an andere Menschen weitergeben muss. Ich habe zu meinem Vater gesagt, dass ich nach Afrika reisen und für die armen Kinder dort spielen will. Er hat mich angeschaut, als wäre ich übergeschnappt.“ Geklappt hat es bisher noch nicht, aber die Idee hat sie seither nie wieder losgelassen.

Fürs erste konzentriert sie sich auf ihre Wahlheimat Frankreich. Ihre Familie stammt aus Russland und kam nach Frankreich, da war Alexandra gerade mal zwei Jahre alt. Als sie fünf war, brachte ihr der Vater, selbst Violinist, das Geigen bei. Auch der Großvater beherrscht das Instrument, die Mutter ist ausgebildete Pianistin.

Alexandra spielt in Konzertsälen auf der ganzen Welt. „Aber irgendwann habe ich mich gefragt: Wo sind eigentlich all die Obdachlosen, die Behinderten, wo sind die Kinder?

2006 tourte sie mit einem Orchester rund um Paris, mitten durch die verarmten Banlieues. Zum ersten Mal traf Alexandra auf all jene, die niemals einen Konzertsaal betreten würden. Und da fasste sie einen Entschluss: „Wenn die nicht zu mir kommen“, sagt sie, „gehe ich eben zu ihnen.“

"Wir sind jung, wir schaffen alles"

Über Franz Liszt hat seine Lebensgefährtin Carolyne zu Sayn-Wittgenstein einmal gesagt, es fehle ihm nicht an Genie, wohl aber an Sitzfleisch. Das kann man von Alexandra Soumm nicht behaupten. Wenn sie sich zu etwas entschließt, bleibt sie bei der Sache, ganz stur. „Ich bin schon oft gegen den Strom geschwommen“, sagt sie.

Mit sechs Jahren war mir klar, dass ich meine Liebe zur Musik an andere Menschen weitergeben muss. Ich habe zu meinem Vater gesagt, dass ich nach Afrika reisen und für die armen Kinder dort spielen will. Er hat mich angeschaut, als wäre ich übergeschnappt.“ Geklappt hat es bisher noch nicht, aber die Idee hat sie seither nie wieder losgelassen.

Fürs erste konzentriert sie sich auf ihre Wahlheimat Frankreich. Ihre Familie stammt aus Russland und kam nach Frankreich, da war Alexandra gerade mal zwei Jahre alt. Als sie fünf war, brachte ihr der Vater, selbst Violinist, das Geigen bei. Auch der Großvater beherrscht das Instrument, die Mutter ist ausgebildete Pianistin.

Alexandra spielt in Konzertsälen auf der ganzen Welt. „Aber irgendwann habe ich mich gefragt: Wo sind eigentlich all die Obdachlosen, die Behinderten, wo sind die Kinder?

2006 tourte sie mit einem Orchester rund um Paris, mitten durch die verarmten Banlieues. Zum ersten Mal traf Alexandra auf all jene, die niemals einen Konzertsaal betreten würden. Und da fasste sie einen Entschluss: „Wenn die nicht zu mir kommen“, sagt sie, „gehe ich eben zu ihnen.“

„Am Anfang schrieb sie hundert Mails, bekam drei Antworten, davon zwei Absagen.“

Andere Leute – Leiter von sozialen Einrichtungen zum Beispiel – hingegen wundert vor allem, weshalb da auf einmal junge Künstler in ihrem Obdachlosenheim vorbeischauen und ein Konzert geben wollen. Umsonst! Haben die nichts Besseres zu tun? „Am Anfang wollte niemand etwas mit uns zu tun haben“, sagt Alexandra. „Ich habe hundert Emails geschrieben und angeboten, dass wir kommen und spielen, und vielleicht drei Antworten bekommen. Zwei davon waren Absagen.“ Wozu das nötig sei, ihre Bewohner bräuchten keine Musik, hieß es in den Heimen. Dabei bringt die hoffnungsfrohe Truppe für ihren Auftritt alles selber mit – allein ein Klavier vor Ort wäre hilfreich. „Keine Mikrofone, keine Bühne. Das würde nur den Abstand zwischen uns und dem Publikum vergrößern.“

Schließlich sollen die Zuhörer den Auftritt genießen – und Teil davon werden. Das sei das Schöne an ihrer Kunst, sagt Alexandra: „In einer Ausstellung hängt das Gemälde bereits an der Wand, und man kann es nur anschauen. In der Musik aber wird das Publikum immer miteinbezogen.“

"Bei ihrem Konzert in der Integrationsschule hat sie das gerade wieder festgestellt. „Die kleineren Kinder haben die ganze Zeit mitgeklatscht, bei den ruhigeren Stücken haben sie sich entspannt.“

„Esperanz’Arts“ werden wiederkommen – das tun sie jedes Mal. Denn es geht nicht darum, einmal aufzutauchen, Schönwetter zu machen und wieder in die eigene heile Welt zurückzukehren. Die Bühnen des Alltags, die suchen sie sich genau aus. Sie wollen eine Verbindung aufbauen, Verlässlichkeit schaffen. Die Schule weiß schon jetzt, dass sie nächstes Jahr wieder da sind.

„Wenn sie spielt, sieht es aus, als würde sie mit ihrer Geige flirten“
„Warum sollen die Leute denn nicht klatschen und lachen und tanzen, wenn wir spielen?“

In der Zwischenzeit spielt Alexandra Soumm weiter in den Konzerthäusern der Welt, zusammen mit ihrer „ex-Kavakos“, einer rund 230 Jahre alten Violine aus den Händen des Geigenbauers Giovanni Battista Guadagnini. Ende Mai tritt Alexandra in Tokio auf, Mitte Juli ist sie in Colorado zu Gast. Säle mit phänomenaler Akustik, in denen abends Damen in bodenlangen Kleidern und Herren in Smokings sitzen werden, teures Parfum wabert durch die Luft, die Zuhörer versinken in den Klängen des Orchesters und seiner Solistin. Wenn Alexandra spielt, wirft sie ihre langen Haare hin und her; manchmal zieht sie die Augenbrauen hoch und lächelt dabei, dann sieht es aus, als flirte sie mit ihrer Geige.

Es ist eine andere Welt, die nichts gemein hat mit den Banlieues oder der Tristesse eines Pflegeheims für demente Menschen. Dass sie ihre Musik in beiden Welten darbieten kann – für Alexandra ist das ein Geschenk. Und auch eine Pflicht. Ihren Agenten hat sie klargemacht, dass auf ihrem Spielplan immer Zeit für „Esperanz’Arts“ bleibt. Und dass sie nicht wie andere Solisten 150 Konzerte im Jahr geben mag. „Ich will Zeit fürs Leben haben“, sagt sie, „ich will auch mal Gedichte schreiben, Spaß haben.“

Auch darin ist sie anders, sie repräsentiert die Generation Y in ihrem Beruf. Sie ist zwar versiert in Orchester- wie Kammermusik und wurde ausgebildet von dem renommierten Lehrer und Violinisten Boris Kuschnir. Aber manchmal sind ihre Ideen fast umstürzlerisch für die Klassik-Szene.

Doch nicht nur die nachrückenden Instrumentalisten verändern sich. Auch die Industrie denkt um. Muss sie, weil ihr sonst das Publikum wegstirbt. Mozart, Beethoven und Wagner sind nicht mehr nur ein Hobby für Oma und Opa im Ohrensessel. Im Gegenteil, die Szene ist stolz auf all die sexy Talente, die sie ins Rampenlicht geschoben hat und die die Verkaufszahlen nach oben schießen lassen. Manche wie der deutsche Geiger David Garrett sind mehr Pop- als Klassikstars, intonieren Songs aus den Charts, sehen sich aber gleichzeitig als traditionelle Violinisten. „Brahms und Schostakowitsch“, sagt Alexandra Soumms, wenn man sie nach ihren Lieblingskomponisten fragt. Trotzdem hat sie mit dem Pop-Geiger Garrett eins gemeinsam: Sie stecken die Klassik in ein neues Gewand. „Warum sollen die Leute denn nicht klatschen und lachen und tanzen, wenn wir spielen?“, fragt Alexandra.

Ich lese meinem Publikum auch gern aus den Liebesbriefen zwischen Robert und Clara Schumann vorManchmal liest sie ihrem Publikum Liebesbriefe von Robert und Clara Schumann vor." Darin sieht Alexandra die nächste Herausforderung für ihre Zunft: Nicht nur dahin gehen, wo die Menschen sonst nie klassische Musik hören. Sondern sie ihnen auch erklären. „Diese Mauer zwischen dem Künstler und dem Publikum“, sagt Alexandra, „die reiße ich ein.“