Nigel Stanford

Zukunftsmusik: Video-Kunst macht Sound sichtbar

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Im Mittelpunkt von „Future of Audio“ – steht der Mensch. Einzelne Menschen mit Einfallsreichtum und Kreativität, die es wagen, ihre Vorstellungen in die Tat umzusetzen. Entscheider mit dem Willen, ihre Klientel durch neue Audiowelten zu erreichen. Klangenthusiasten, die uns mit innovativen Projekten Hörerlebnisse verschaffen, die unser Inneres bewegen. Mit „Menschen“ sprechen wir alle Musiker, Künstler, Toningenieure, Produzenten, Entscheidungsträger, Sound-Designer an, die unsere Welt zu einem sinnlichen  Klanguniversum werden lassen. 

Töne, die man sehen kann. Intelligente Maschinen, die Menschen beim Musikmachen ersetzen. So blickt der Künstler Nigel Stanford mit seinen kunstvollen Videos in die Zukunft des Sounds. Auf der Kunstmesse Art Basel in Hong Kong werden seine Projekte am Sennheiser-Stand gezeigt.

  • Autor: Simon E. Fuchs
  • Fotos: Nigel Stanford

Für den Künstler Nigel Stanford hat die Zukunft bereits begonnen. Er drückt die Taste seines Keyboards, auf einer schwarzen Platte fangen Sandkörner an zu tanzen. Eine weitere Taste bringt die Körner in eine andere Form. Was aussieht wie Magie, ist Wissenschaft, die Musik zum tanzen bringt.

Der innovative Künstler hat die Welten der Musik und der Wissenschaft miteinander verknüpft. In seinen Videos „Cymatics“ und „Automatica“ reißt er Grenzen ein und geht neue Wege. Über 9 Millionen Mal auf Youtube und 45 Millionen Mal auf Facebook wurde allein „Cymatics“ angeschaut.

Einen Blick hinter die Kulissen erlaubt Stanford auf der Kunstmesse Art Basel in Hong Kong. In einem Video zeigt er, wie er seine minutiös inszenierten Musikvideos erarbeitet hat. Denn obwohl die Videos so natürlich und fließend aussehen, steckt hinter ihnen eine Menge Arbeit.

Arbeit, die sich gelohnt hat. „Ich wollte schon immer Videos machen, in denen sich Sound in Form verwandelt“, sagt Nigel Stanford. Der 40-jährige Neuseeländer aus Wallington ist Produzent und Musiker. Mit seiner Video-Kunst zeigt er eine neue Art, Musik sichtbar zu machen.

Synästhesie – die Fähigkeit Töne zu sehen - als Inspirationsquelle

Das Internet hat ihn zu seinen Videos inspiriert. 1999 sah er zum ersten Mal ein Video, das von Synästhesie sprach. Bei Synästheten verknüpfen sich Reize miteinander, die eigentlich nicht zusammengehören. Geräusche können zum Beispiel als Farben oder Formen wahrgenommen werden.

Jahre später sah Stanford ein Video über Cymatics. So nennt sich die Kunst, Musik sichtbar zu machen. Schallwellen bewegen Wasser oder Sand. Die Idee für Stanfords erstes Video war geboren. Stanford selbst wurde vom Erfolg überrascht: „Ich wusste, dass die Videos gut waren. Aber diesen Erfolg habe ich mir nicht vorgestellt.“

Ein Besuch beim verrückten Professor

Im ersten Video wird klar: Stanford beherrscht die vier Elemente. Blitze von einer Teslaspule zucken zur Musik durch die Luft, Feuer flackert zum Sound, Wasser verformt sich zum Sound der Basedrum, Sand tanzt auf einem sogenannten „Chladni Plate“ zum Keyboard. In sechs Experimenten zeigt Stanford, wie Sound aussehen kann.

Für die Experimente verwandelte Stanford sein Haus in ein Labor. Vier Wochen hat er an den kleinen Experimenten gearbeitet. Die Einzelteile für den sogenannten „Chladni Plate“ kaufte er auf einer Internetseite für Physiklehrer. Die großen Experimente brauchten mehr Vorbereitung - einen Monat allein saß er an einer Feuerschiene gefüllt mit Propangas, dem „Ruben's Tube“.

Von Wallington flog Stanford nach New York, wo er, sein Freund der Filmemacher Shahir Daud und ein Team aus 20 Leuten das Video drehten. Am Set musste an manchen Stellen geschraubt und gebastelt werden: Die Sicherung eines Lautsprechers brannte durch, ein Wasserbehälter war undicht. „Das war stressig, aber der Stress hat sich gelohnt“, sagt Nigel Stanford heute. In zwei Tagen ist das Video fertig aufgenommen.

„Ich brauchte Kopfhörer, die volle Frequenzen abbilden können.“

Stanford benutzte bei seinem Dreh selbstgebaute Maschinen für die Experimente. Bei den Musikinstrumenten, Mikros und Kopfhörern hat er sich auf bekannte Marken verlassen. Unter anderem benutzte er den MOMENTUM-Kopfhörer und den HD800 von Sennheiser: „Ich brauchte Kopfhörer, die volle Frequenzen abbilden können.“

Was im Video organisch und fließend daherkommt, ist in Wirklichkeit ein Puzzle aus vielen Einzelteilen. Anstatt den fertigen Song komplett zu spielen war der Ansatz bei diesem Projekt umgekehrt. Der Song existierte bereits in einer Rohversion. Beim Dreh wurden jedoch nur einzelne Töne aufgenommen, die später erst zum fertigen Song zusammengesetzt wurden. Das Video wurde insgesamt acht Monate lang nachbearbeitet.

Auf der Suche nach den perfekten Maschinen

Nach seinem ersten großen Erfolg hat Stanford für sein zweites Video mit Robotern gearbeitet. Er wollte Musik nicht mehr von Hand generieren, die Maschinen sollten die Instrumente spielen. „Wir mussten vorsichtig sein, es waren die schnellsten Roboter der Welt“, sagt Stanford. Bei einer ungeschickten Bewegung hätten sie ihn an die Wand schleudern können.

Der Dreh selbst war aufwendiger als sein erstes Video. Insgesamt eine Woche lang hat Stanford mit einem Team von 40 Leuten gefilmt. „Ich mag es, meine Hände schmutzig zu machen“, sagt er. Auch bei diesem Dreh arbeitete er nach der Maxime – nur das Beste ist gut genug. Stanford und sein Team leuchteten eine ganze Lagerhalle aus. Das Licht und die Kamera wurden durch Programme gesteuert.

Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz

Die orangenen Roboter streifen kinderleicht die Seiten einer Gitarre und drücken mit einer großen Schnelligkeit die Tasten eines Keyboards. Hier zeigen sich schon die Möglichkeiten, wie künstliche Intelligenz mit Musik in Verbindung gebracht werden kann. Zum Anfang des Videos zeigt Stanford ihnen, wie er spielt. Zum Ende hin zeigen die Maschinen ihm neue Arten zu spielen. Das fertige Video wird Anfang des Jahres 2016 erscheinen.

In der Zukunft plant Stanford noch stärker mit künstlicher Intelligenz zu arbeiten. Gerade arbeite er an einer Software, die eigenständig Musik schreiben soll. Einige dieser Songs sollen dann auf seinem neuen Album zu hören sein. Musik will er weiterhin mit visuellen Effekten verknüpfen.

Nigel Standford wearing a HD 800

Die Zukunft der Musik

Wie er sich die Zukunft der Musik vorstellt? „Hoffentlich weniger linear“, sagt Stanford. Er setzt auf interaktive Musik, Apps bei denen die Zuhörer die Musik bis zu einem gewissen Grad selbst bestimmen können. Einige Künstler wie Björk haben damit bereits experimentiert. Sie brachte ein ganzes Album in App-Form heraus. Für Stanford ist die Zukunft der Musik experimentell – Sie soll auf die Umgebung reagieren, sichtbar werden.

Mit seinen visuellen Musikexperimenten sei er erst am Anfang seiner Möglichkeiten. „Ich habe nur an der Oberfläche gekratzt“, sagt er.