Nik Nowak

Aus Kunst und Musik wird eine Friedensbotschaft

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Im Mittelpunkt von „Future of Audio“ – steht der Mensch. Einzelne Menschen mit Einfallsreichtum und Kreativität, die es wagen, ihre Vorstellungen in die Tat umzusetzen. Entscheider mit dem Willen, ihre Klientel durch neue Audiowelten zu erreichen. Klangenthusiasten, die uns mit innovativen Projekten Hörerlebnisse verschaffen, die unser Inneres bewegen. Mit „Menschen“ sprechen wir alle Musiker, Künstler, Toningenieure, Produzenten, Entscheidungsträger, Sound-Designer an, die unsere Welt zu einem sinnlichen  Klanguniversum werden lassen. 

Der Berliner Künstler Nik Nowak (34) verbindet bildende Kunst und Musik. Sein bekanntestes Projekt, der Soundpanzer, befasst sich kritisch mit akustischer Kriegsführung und Sound als kulturellem Katalysator. Irakischer Sand auf deutschen Straßen hat ihn zu diesem Kunstwerk inspiriert.

  • Autor: Simon E. Fuchs
  • Fotos: Nik Nowak
„Die Macht von Sound ist unmittelbar. Das fasziniert mich.“

Nik Nowak, Sie arbeiten für ausgewählte Projekte mit ihrem Bruder Till Nowak zusammen. Wie präsent war Kunst in ihrer Kindheit? Für uns beide war früh klar, dass wir künstlerisch arbeiten werden. Till hat schon als Kind mit Super8 Kameras gefilmt, ich wollte Maler werden. Unser Vater ist Kunstlehrer und hat uns bei diesem Weg unterstützt. Till hat sich schon damals für Trickfilm interessiert. Ich habe mit 14 angefangen, Motiven von Otto Dix nachzumalen und Freunde zu portraitiert. Die Dadaisten und insbesondere Marcel Duchamp haben mich später sehr geprägt.

Ziemlich früh hatten wir unterschiedliche Ausprägungen. Till ist jetzt Filmemacher, lebt in LA und arbeitet an Hollywoodproduktionen mit. Ich bin in die bildende Kunst gegangen. Für mich sind Sound und Musik als Ausdrucksmittel hinzugekommen.

In ihren Installationen verbinden Sie bildende Kunst und Musik. Warum? Dass ich seit dem Jahr 2005 Soundinstallationen baue, hat sich organisch entwickelt. Musik war für mich beim Malen und Zeichnen immer schon eine essentielle Energiequelle. Meine Wandzeichnungen sind meist vor Ort entstanden und nicht im Atelier. Deshalb habe ich irgendwann ein mobiles Soundsystem gebaut. Nicht nur einen Ghettoblaster, sondern ein Gerät, das auch ein mobiles Studio war.

Daraus ist eine ganze Serie an Soundobjekten mit unterschiedlichen Spezifikationen entstanden. Manche konnten nur Hochtöne spielen, andere waren auf Subfrequenzen ausgerichtet. Der Soundpanzer bezieht sich ambivalent auf die Verwendung von Musik als Waffe und auf den Gebrauch von Sound-Systemen als kulturelle Transmitter.

Meine Soundobjekte sind sowohl Skulpturen als auch funktionale Sound-Systeme. Schon durch formale Aspekte der Objekte bilden sich beim Betrachter bestimmte Assoziationscluster. Der Soundpanzer beispielsweise ist ein Hybrid aus jamaikanischem Soundsystem, Panzer und Tarnkappenflugzeug.

Nik Nowak für Sennheiser
„Ich kenne viele Maler und weiß, wie wichtig Musik als Energiequelle für Künstler ist.“

Was finden Sie spannend an diesen beiden Welten? Beide Welten haben unterschiedliche Potentiale. In der bildenden Kunst kann dir ein gehauenes Stück Marmor einen weiblichen Körper suggerieren. Am Ende ist es aber doch nur Stein. Das Potenzial von Sound ist, das Musik zwar auch assoziativ wirkt aber auch ein physisches Erlebnis sein kann. Schallwellen generieren eine Raumsituation. Man ist vor dem Einfluss von Sound nicht geschützt, man kann sich nicht entziehen. Die Macht von Sound ist unmittelbar. Das fasziniert mich.

Wie können sich diese beiden Sphären gegenseitig inspirieren? Die gegenseitige Inspiration hat schon immer existiert und wird besonders in der klassischen Moderne sichtbar. Bei Kandinsky ist es explizit, die Futuristen haben das Klassische Orchester um den Sound des Industriezeitalters erweitert, Marcel Duchamp hat Zufallskompositionen geschrieben und bei John Cage sind die Grenzen zwischen Kunst und Musik endgültig fließend.

In der Kunst tritt Musik jedoch häufig nur im Hintergrund auf. Oft geht es nicht vordergründig um ihren Einfluss. Musik ist aber ein unglaublich identitätsbildendes und inspirierendes Medium. Ich kenne viele Maler und weiß, wie wichtig Musik als Energiequelle für Künstler ist.

Was ist ihre Vision für die Zukunft der Musik? Es gibt eine Platte von Fela Kuti aus dem Jahr 1998, die heißt „Music is the weapon of the future“. Diesen Slogan greife ich wieder auf, wenn ich an die Zukunft der Musik denke. Musik kann in der Zukunft ein Generator für politischen Widerstand sein. Es gibt fast kein anderes Mittel, was auf friedlicher Ebene so stark Gesellschaft generieren und gestalten kann. Durch das sich Utopien realisieren lassen. Mit dem man Konzepte von Diversität und Identität vereinbaren kann.

Ein Beispiel dafür ist schon heute das West-Eastern Divan Orchestra. Das ist ein israelisch-palästinensisches Orchester, in dem Musiker aus beiden Bevölkerungsgruppen zusammenspielen. Durch das Musizieren können Traumata abgebaut werden. Das hat für mich eine mystische Komponente. Die Wirkung der Musik kann man nicht bis ins kleinste Detail erklären.

Diese verbindende Funktion von Musik finde ich extrem kraftvoll. Darin sehe ich die Zukunft der Musik. Musik ist Hoffnung.

In ihren Soundinstallationen geht es häufig um Frieden, noch häufiger um Krieg. Warum? Ich bin in Mainz aufgewachsen, einer Gegend, in der es damals viele amerikanische Kasernen, eine Panzerfabrik und ein Militärtrainingsgelände gab. Die Armee hat mich schon als Kind schockiert. Im Wald standen uns manchmal schweigende schwer bewaffnete US-Soldaten in Tarnanzügen mit Ästen auf dem Kopf gegenüber. Ohne es zu wissen, waren wir als Kinder auf ihrem Trainingsgelände unterwegs.

Auf den Straßen lag Sand aus dem Irak, den die Panzerketten verloren haben. Die Fahrzeuge, die in Mainz stationiert waren, wurden im Ersten Irakkrieg eingesetzt. Ich habe mich damals schon gefragt, was die Essenz des Krieges ist, warum es eine Kriegsindustrie gibt.

Den Soundpanzer zu bauen, war eine Form des Widerstandes, eine aktive Verweigerung. Im Mai plane ich eine Parade mit dem Soundpanzer in Berlin. Die Militärparade wird hier neu konnotiert, und richtet sich gegen die Waffenindustrie und die damit zusammenhängende Rüstungspolitik, die seit Jahrzehnten unauffällige und sehr lukrativ tödliche Waffen in Krisengebiete spült und die Konflikte anfeuert.

Ihr Werk „Soundpanzer“ ist ihr bekanntestes. Wie sind Sie auf die Idee gekommen? Ich hatte schon in meiner Jugend Ideen in die Richtung. Ich bin mit dem Militär vor meiner Nase aufgewachsen. Kriegsgefährte strotzen nur so von Macht. Diese militärischen Posen findet man auch im zivilen Bereich, zum Beispiel im Autodesign oder in der Mode wieder. Im Cartuning wird Sound als Mittel zur Besetzung von Raum eingesetzt und greift Strategien der akustischen Kriegsführung auf.

Aus diesen Beobachtungen heraus habe ich den ersten Mobile-Booster im Jahr 2005 gebaut. 2011 kam der Soundpanzer dazu.

Als Basis haben Sie ein japanisches Kettenfahrzeug verwendet. Wie kam es dazu? Das japanische Baufahrzeug habe ich über Ebay gekauft. Die Ketten sind im Verhältnis zum Fahrzeug relativ groß, dadurch wirkt das Gerät eindrucksvoller und man kann seine reale Größe auf einer Abbildung nur schwer bestimmen. Das war ein Kriterium für die Wahl des Fahrzeuges. Ich habe alles obenherum abgeschnitten und ein freischwingendes Lautsprechersystem auf die hydraulisch aufzurichtende Ladefläche aufgebaut. Insgesamt drei Subwoofer, sechs Mittelbässe und vier Hochtonhörner. Die Hydraulik, mit der man die Lautsprecher aufrichten kann, stammt noch vom Baufahrzeug.

Welche Geräusche spielen Sie über die Lautsprecher ab? Meine Performances kann man als Soundcollage beschreiben. Es geht um die psychische und physische Wirkung von Sound und die Verwendung von Klang als Mittel zur Besetzung von Raum. Subbässe und Störgeräusche wie weißes Rauschen münden in Meeresrauschen. Eine Stimme aus den 50er Jahren kommentiert die technischen Entwicklungen der akustischen Kriegsführung, wir hören den beliebtesten Song amerikanischer Panzerfahrer, Miami Bass Beats, und Signaltöne für Subwoofer Tests. Aus Soundscapes, Zitaten und Eigenkompositionen entsteht etwas, was man einen Soundessay nennen könnte.