ONES TO WATCH: Paul Oomen

The Institute of Spatial Sound

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Es begann mit einer E-Mail. Einer Booking-Anfrage, die sich durch einen kleinen, entscheidenden Satz von all den anderen Booking-Anfragen unterschied. Er, Stimming, sollte beim Blown Away Festival in Rotterdam auflegen. Soweit, so gewöhnlich. „Aber dann stand da, ich würde es mit einem 4D-Soundsystem zu tun bekommen“, sagt der Hamburger Künstler. Verbunden mit der Frage, ob er sich dieses System nicht vorher mal anschauen wolle, um dann im Club auch damit klarzukommen. „Interessiert hat mich das sofort“, sagt er. „Und als ich es dann ausprobiert habe, dauerte es zwei Minuten und ich war komplett begeistert.“ Was Stimming da ausprobierte, erschien ihm sofort besonders. „Wirklich innovativ eben.“

  • Autor: Gunter Ullrich
  • Fotos: Georg Schroll, 4D Sound
  • Video: Ableton

4D Sound also. „Spatial Sound“, wie ihn seine Macher nennen. Eine neue Dimension des Hörens auf jeden Fall. Eine ultimative Sound-Erfahrung.

Genau das wollte Paul Oomen, ein niederländischer Musiker und Erfinder, mit seinem Projekt erreichen. Denn für ihn begann das alles um genau zu sein lange bevor Stimming eine Email erreichte. Für Oomen begann das alles mit Nikola Tesla der vor über hundert Jahren Pionier-Arbeit auf dem Gebiet der Elektrotechnik leistete. Seine Arbeiten inspirierten Oomen. „Was er über den Raum und dessen Beziehung zu unserer Umgebung geschrieben hat, faszinierte mich“, sagt Oomen. Er studierte Teslas Schriften und vor allem aber klassische Musik. Danach schrieb er Opern. „Die Klang-Erfahrungen, die ich in großen Sälen gesammelt habe, haben mich dann noch weiter inspiriert.“ Wie man mit viel Raum und Klängen sein Publikum beeinflussen kann, das wollte er rausfinden. Vom üblichen Club-Sound, der klassisch von vorne kommt, hatte er genug. Dolby-Surround reichte Oomen auch nicht. „Im echten Leben ist es doch auch so, dass der Sound von überall in unser Gehör dringt“, sagt er. Man brauche nur über eine ganz normale Straße laufen. Von unten kommt U-Bahn Krach, von oben zwitschern Vögel und von der Seite lärmen vorbeifahrende Autos. „Diese natürliche Sound-Wahrnehmung wollte ich in den Club transportieren.“ Oomen legte seine Experimente auf Menschen aus, die wie er Musik als räumliche Wahrnehmung sehen. Er wollte Audio-Feinheiten umformen. 2008 fing Oomen damit an, 2010 konkretisierte sich eine erste Umsetzung, 2013 sollte dann Stimming das Ganze aufführen...

Der hatte 2008 seinen Durchbruch mit „Una Pena“. Seitdem hat der Hamburger sich gemeinsam mit Solomun und Adriano und ihrem Label Diynamic Music einen Namen in der House-Szene gemacht. Stimming liefert beeindruckende Live-Shows, während der er seine eigenen Stücke spielt. Er ist Künstler, kein DJ im klassischen Sinn. Er vertritt einen Grundsatz, sagt er. „Ich habe weder Angst, meine Emotionen zu zeigen, noch, sie in meine Musik einzubauen.“

Worte, die natürlich im wahrsten Sinne des Wortes wie Musik in Oomens Ohren geklungen haben müssen. Für ihn ist Sound vor allem psychoakkustisch. Sobald er durch die Ohren klingt, ist er nicht länger physisches Phänomen, sondern ein Produkt der menschlichen Wahrnehmung, der menschlichen Emotion.

Klingt wissenschaftlich, ist es auch. Doch diese Oomen’sche Theorie ist wichtig, um seine Praxis zu verstehen. Er hat einen Raum in 16 Abschnitte unterteilt. Hinter einer 16 Meter langen Bühne übrigens. Insgesamt beschallen 48 Lautsprecher diesen Raum, also pro Abschnitt drei Stück. Zusätzlich zu neun Lautsprechern, die unter dem Boden angebracht sind. „Man hört dadurch dem Raum zu, nicht den Lautsprechern“, sagt Oomen. Man nimmt die Klänge authentisch wahr. Entwickelt Emotionen, die die Musik nicht von vorne, sondern von unten, oben und von der Seite vermittelt.

Gesteuert wird die Anlage über ein Ipad, mit einem Programm, das aussieht wie die Programme, mit denen Architekten ihre Bauten entwerfen. Wenn Stimming das iPad in der Hand hält, entwirft er Klang-Bauten.

„Meine ersten Versuche damit waren sehr schwierig“, gibt er zu. „Nach vier, fünf Stunden habe ich langsam rausgefunden, wie ich die verschiedenen Elemente richtig ansteuern kann.“ Und doch frustrierte es ihn anfangs. „Weil ich schnell gemerkt habe, dass das System zu viel mehr fähig ist, als das was ich bis dato aus ihm herausholen konnte.“

So blieb ihm nur eins: Üben. Und weiter üben. Denn genau wie das Spatial-Soundsystem ihn anfangs frustrierte, so begeisterte es Stimming auch. „Es revolutioniert unsere Wahrnehmung von Musik.“ Je mehr er übte, desto besser kam er mit dem System klar. Stimming erkannte, dass simple Sounds am besten funktionieren, weil sie durch die Spatial- Technik noch klarer werden. „Ich wusste, das würde die Leute umhauen“, sagt Stimming.

Als er dann das erste Mal vor einer Tanzfläche steht, sehen die Leute hinter seiner Bühne eher weniger umgehauen aus. Sie stehen ziemlich still. Einige verschränken die Arme, ein paar filmen ihn mit ihren Smartphones, andere haben die Augen geschlossen. Stimming beginnt seine Show am Klavier, spielt erste Töne. „Als Kontrast zum Spatial-Sound“ sagt er. Weil auch virtuelle Sounds im Raum so authentisch klängen. „Warum also nicht mit einem realen Sound starten?“

Richtungen werden Wellen. Undefinierbar woher sie kommen. Nur eine Richtung ist für Stimming ganz deutlich: „Dieses System ist so sehr ein Schritt nach vorne.“

Oomen hat den nächsten Schritt in diesem Oktober getan. In Budapest eröffnete er das „Institute of Spatial Sound“. Eine Einrichtung für Forschungen und kreative Produktionen im Feld des multidimensionalen Sounds. Im Art Quarter, einer ehemaligen Brauerei, haben seitdem bis zu 20 Musikern und Forschern die Möglichkeit zu geben, weitere große Schritte nach vorne zu gehen.